NEUE WELT
Nachdem alle Besatzer, Ausbeuter, Diktatoren, Marodeure, Statthalter und Gouverneure mit dem letzten Boot das Land verlassen hatten, nachdem das einstmals blühende, strahlende und an Schätzen und Tugenden reiche Land restlos verwüstet war, sammelten sich die Reste der Bewohner – Frauen und Männer, Kinder und Greise, alte und junge Bewohner – genau in der Mitte des Landes, an dem Punkt, der durch Posaunen, Rufer, Trommler und Herolde verkündet worden war. Ein Ort, der durch Berechnungen, Abwägungen und Betrachtungen bestimmt und letztlich von den letzten der Lebenden, die in der Lage waren, eine Entscheidung zu treffen, festgelegt wurde.
Es war eine Trauer und ein Jammer, das einstmals stolze und aufrechte Volk in seiner restlichen, dem Untergang geweihten Ansammlung zu sehen. Gespräche und hitzige Debatten, Jammern und Wehklagen wogten an den provisorisch errichteten, kaum wärmenden und schützenden Lagerfeuern hin und her.
In einem Gemisch aus Jammer und Trauer, Verlust der Identität, Verlust des Nächsten, Verlust der Zukunft und des Glaubens, Verlust des Erkennens der Person – ob Mann oder Frau – wusste niemand, was geschehen würde, wenn der Mond seine alte Bahn beendet und sein neues volles Gesicht zeigt. Man sammelte sich, schaute nach Verwandten, Freunden, Vertrauten, Gefährten und Nächsten.
Langsam beruhigte sich die Situation, und die Gespräche bekamen einen Sinn, eine Orientierung und wurden konstruktiv. Es wurde erörtert und verworfen, beschlossen, bestimmt und unterdrückt. Es entstanden Emotionen und Trauer, Siege, Visionen und Niederlagen, Konstruktionen und Zukunft.
Sie beschlossen, die Reste der alten Strukturen zu zerschlagen – keine Freunde und Verwandte, keine Verflechtungen, keine Nähe. Man schuf neue Gebilde kooperierender Familien. Junge schlossen sich Alten an, Dicke fanden Dünne, Kleine liebten Große, Unpraktische schlossen Freundschaft mit Schaffenden.
Der Ort, an dem man sich befand, wurde als das neue Zentrum und zum Mittelpunkt aller künftigen Geschehnisse und Glaubens berufen. Dieser Ort war von nun an heilig und die Zukunft. Von jenem Platz aus zogen nun die neu gebildeten Scharen exakt im Raster der Kreisgrade in alle Richtungen.
Reste und nur Reste waren die letzten Habseligkeiten, die den Gruppen geblieben waren. Fast alles war in den Besatzungs- und Ausbeutungsjahren verloren gegangen. Ein weiterer Teil ging auf dem Weg zur historischen Versammlung verloren, und der allerletzte Rest war nun in kleinen Bündeln gepackt auf den Schultern der Wanderer.
Sie zogen fünf Tage und fünf Nächte, ohne zu rasten, ohne zu verweilen. Man machte sich keine Gedanken darüber, ob einer der passierten Orte ein neuer Ort der Zukunft sein könnte, sondern hielt sich peinlich genau an die vorgegebenen Zeitabläufe: Sonnenauf- und Sonnenuntergang, fünfmal, jeweils einen neuen Finger in der Tasche gespreizt.
Alle ließen auf Kommando ihre Sachen fallen versammelten sich im Kreise und beschlossen hier eine neue Stadt zu gründen. So entstanden 360 neue kleine Insel des Lebens und der Freiheit.
Einige Gruppen hat es in die flache weite Ebene verschlagen, stetig Wind über die Wiesen und Hügel streichte. Andere gründeten ihre Stadt inmitten einer Wüste, nahe oder stundenlanger Fußweg entfernt vom Wasser.
Der Marsch einiger Gruppe endete im Gebirge, hoch oben an den Kuppen, wo Frost und gefrorener Boden die meisten Tage im Jahr vorhanden waren. Ganz andere endeten am Meer, da die fünf Tage nicht erreicht waren, bauten sie notdürftige Flöße und fuhren aufs Meer hinaus. Ankerten als die Frist gekommen war und gründeten Ihre Stadt auf dem Meer.