Begegnung im Wald

So ungefähr letzte Woche war es, ein Sonntagnachmittag. Ich rief meine beiden Katzen, Luzzy (w12) und Findus (w2). Ich hatte einen kleinen Angelhaken, etwas Brotkrumen und Käse dabei und wollte in den Wald. Die zwei gehen dann immer gerne mit. Sie sehen, wohin ich will, und wissen, was kommt. Sie kamen über die Wiese getobt und liefen mit. Unten am Kanal fing ich dann zwei kleine Fische, ungefähr 4–5 cm groß, und diese bekamen sie dann. Das finden beide ultraklasse und freuen sich mächtig, laufen unruhig mit hohem Schwanz hin und her, schnurren, reiben sich am Schnurren und sind voller Erwartung. Nach erfolgreichem Fang zogen wir noch etwas weiter und tiefer in den Wald hinein, bis zu einer Lichtung. Ich legte mich ins Gras, die Kleine wie immer oben in meinem Arm, und die Große legte sich immer an meine Beine. Wir dösten ein wenig in der Mittagssonne. Ich hatte mein Ohr am Boden und vernahm plötzlich leichtes Rascheln und Trippeln. Meine beiden, sah ich, hoben auch ihre Köpfe und spitzten die Ohren.

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Ich lugte durch die Gräser und das Gestrüpp und sah zwei Hasen über den Acker flitzen. Kurz hinterher trollten sich zwei Igel, am Ackerrain sah ich ein Kaninchen und – vielleicht fünf Hände breit weg von mir – schlichen zwei junge Füchse vorbei. Durch die Bäume, den Ästen entlang, sprangen Eichhörnchen. Alle hatten irgendwie die gleiche Richtung.
Meine zwei Damen richteten sich plötzlich auf und verschwanden ebenfalls in die besagte Richtung. Ich blieb noch einen Moment liegen, machte mir so meine Gedanken und beschloss, dem ganzen Tross mal vorsichtig und langsam zu folgen. Langsam und vorsichtig näherte ich mich einer neuen Lichtung, und es verschlug mir fast den Atem. Ich sah im Kreise eine große Zahl von Tieren sitzen und meine zwei mittendrin. Die Kleine schmiegte sich mit stolz gespreiztem Schnurrbart an einen der kleinen Füchse, der wiederum mit Hingabe ihren Nacken ableckte. Die Große saß stolz aufgerichtet neben einem anderen Kater, den ich kannte. Er wohnt schon seit Jahren alleine und wild im Wald und holt sich hin und wieder morgens sein Futter an der Türe ab.

Moritz + 2016 I Alter unbekannt
Findus + 2017 I 22 Jahre
Luzzy + 2016 I 14 Jahre

Ein Entenpaar hatte sich noch eingefunden, im Baum saß eine Eule, und drei Blindschleichen hatten sich kunstvoll zu einem Kringel zusammengebunden. In der Mitte des Kreises hatte die Tierversammlung ein kleines Feuer entfacht. Kleine Äste waren zum Kreis zusammengeschoben, und nur in der Mitte loderte eine kleine Flamme, vielleicht so groß wie fünf angezündete Streichhölzer. Als Kinder hatten wir diese Art von Feuer Sternfeuer genannt.
Es war ein furchtbares Durcheinander an Gebrummel, Gebrabbel, Gemurmel und Geschnatter.

Plötzlich, wie auf Kommando, verstummte die ganze Schar, und ein alter, betagter Fuchs betrat den Kreis. Seine Ohren waren durch viele Kämpfe ganz zerrissen, tiefe Narben zierten das Fell. Er sprach von den Problemen und Gefahren, von den Kämpfen und Fallen, Krankheiten und dem Ungemach in den Wäldern, dass die Räume immer kleiner werden und die Jagdflächen sich verringern. Ganz leise auf einmal erhob er etwas seine Stimme, sprach unmerklich schneller – alle hingen an seinen Lippen – und erzählte von einem Reh und ihrem Kitz hier oder anderswo in den Wäldern. Dass die Mutter das Reh immer zart an den Ohren zog und immer weiter und tiefer in den Wald ziehen würde. Das Kitz sei inzwischen schon erwachsen – und wenn ein junger Freier mal vorbeikäme, würde sich die Mutter diskret abwenden. Die jungen Füchse kicherten an dieser Stelle. Die Rehmutter habe sich ganz aufgegeben, nur um auf ihr junges Reh zu achten. Alle hörten andächtig zu. Keiner von der Versammlung hatte das Reh je gesehen, aber in den folgenden Geschichten wurde das Reh immer mehr zur Person. Jeder hatte es nun inzwischen einmal von der Ferne gesehen, und jeder wusste einen kleinen Beitrag zu leisten. Und im Kreis entstand eine Fabel von einem heiligen Reh, welches mit seinem Kitz durch die Wälder streifte. Ich zog mich langsam zurück und legte mich wieder unter den Baum, den ich vorher verlassen hatte.

Plötzlich wurde ich wach, blinzelte in die Sonne. Meine kleine Findus lag in meinem Arm, und als ich ihr den Nacken kraulen wollte, bemerkte ich,

……dass dieser ganz feucht war.